CO2-Öko-Bilanzierung von Brücken

Forschungsprojekt zur Optimierung von Brückenbauwerken im Hinblick auf die CO2-Bilanz

Veröffentlicht in der Ausgabe Juli/August 2021
DEUTSCHES INGENIEURBLATT – SCHLESWIG-HOLSTEIN

Das Institut für Bauwesen der Fachhochschule Kiel / Prof. Dr. Görtz und die Ingenieurbüro Mohn GmbH aus Melsdorf wollen CO2-optimierte Brückenbauwerke entwickeln. Hierdurch sollen alleine in Schleswig-Holstein jährlich etwa 2.000 Tonnen CO2 eingespart werden. Das Projekt wird durch die EKSH (Gesellschaft für Energie und Klimaschutz Schleswig-Holstein GmbH) mit einer Summe von ca. 150.000 € gefördert. Beratend unterstützt wird es durch den Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr in Schleswig-Holstein, das Tiefbauamt der Stadt Kiel, der bauausführenden Firma Schwalbe Bau aus Preetz und den Betonlieferanten Thomas Beton.

 

Laut einem Bericht des UN-Umweltprogramms aus dem Jahr 2020 liegt der Bau- und Gebäudesektor beim Treibhausgasausstoß weltweit auf Rekordniveau. Mittlerweile produziere er 38 % der globalen CO2-Emissionen. Dennoch gibt es bislang nur wenig Erfahrungswerte, den CO2-Ausstoß bei der Errichtung, Erhaltung und Sanierung von Bauwerken zu beziffern bzw. zu optimieren. Ein Großteil des öffentlichen Bauvolumens umfasst Infrastrukturmaßnahmen, wobei im Hinblick auf die CO2-Bilanz hier vor allem Brückenbauwerke ins Gewicht fallen. Trotz der hohen Emissionen fehlen aktuell sowohl auf Bauherrenseite als auch auf Seiten von Planungsbüros bzw. Bauausführenden Kenntnisse oder auch Berechnungsmethoden, wieviel CO2 für die Erstellung und auch die Unterhaltung des Bauwerks erforderlich ist, daher spielen Reduzierungen bzw. Optimierungen der CO2-Bilanz in der Planung und Bauausführung keine Rolle, die Vergabe findet im Regelfall nach den geringsten Herstellungskosten statt.

Das Institut für Bauwesen der FH Kiel / Prof. Dr.-Ing. Stephan Görtz sowie die Ingenieurbüro Mohn GmbH haben in den letzten Monaten im Rahmen von Voruntersuchungen für typische Straßen- und Fußwegbrücken in unterschiedlichen Varianten CO2-Bilanzen erstellt und hieran die folgenden ersten Erkenntnisse gewonnen:

  1. Grundsätzlich liegt der CO2-Bdarf bei einer in konventioneller Bauweise (Stahlbeton, Spannbeton, Stahlbauweise, Verbundbau) erstellten Brücke etwa zwischen 1,1 to und 2,3 to je m² Brückenfläche.
  2. Im Hinblick auf die Einzelphasen (Herstellung, Betrieb, Abbruch) nimmt die Erstellung des Brückenbauwerks mit Werten zwischen 70 – 85 % den größten Anteil der CO2-Bilanz ein.
  3. Im Hinblick auf die Einzelpositionen nehmen bei den betrachteten Brücken die Beton- und Stahl-Positionen mit ca. 80 % den wesentlichen Anteil des CO2-Bedarfs ein.
  4. Im Hinblick auf die Einzelbauteile (Unterbauten, Überbau, Ausstattung) dominiert gerade bei den Brücken mit geringer bis mittlerer Brückenlänge bis etwa 40 m der CO2-Anteil der Unterbauten bis etwa 75%. Der CO2-Anteil / m² Brückenfläche ist demzufolge von der Brückenlänge abhängig. Damit weist ein Großteil der in Schleswig-Holstein vorhandenen Brücken mit Längen von < 40 m einen vergleichsweise hohen CO2-Bedarf aus.

 

Diese an Voruntersuchungen gewonnenen Erkenntnisse sollen jetzt im Rahmen eines von der Gesellschaft für Energie und Klimaschutz Schleswig-Holstein GmbH (EKSH) geförderten Forschungsvorhabens in allgemeingültige Aussagen überführt werden. Konkret sollen für typische Brückenbauwerke, wie sie zukünftig in Schleswig-Holstein erstellt werden

  1. durch umfassende CO2-Bilanzen ein Überblick bzw. Transparenz und Erfahrungswerte über den CO2-Verbrauch typischer Brückenkonstruktionen geschaffen werden;
  2. basierend auf den CO2-Bilanzen die wesentlichen Einflussfaktoren des CO2-Bedarfs identifizieren;
  3. konkrete Maßnahmen ausgearbeitet werden, wie der CO2-Bedarf eines Brückenbauwerks möglichst kostenneutral um etwa 20 – 25 % reduziert werden kann.

 

Der Projektstart wird etwa im Spätsommer 2021 liegen, die vorgesehene Projektdauer beträgt 20 Monate. Über das Projekt konnte an der Hochschule Kiel zum 01.10.2021 eine Projektmitarbeiterin eingestellt werden, so dass hier entsprechende Fachkompetenz aufgebaut wird. Durch umfangreiche Beteiligung gewichtiger Partner in beratender Funktion (Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr in Schleswig-Holstein, Tiefbauamt der Stadt Kiel, bauausführenden Firma Schwalbe Bau aus Preetz, Betonlieferant Thomas Beton), ist davon auszugehen, dass die in dem Vorhaben gewonnenen Erkenntnisse praxisgerecht ausgearbeitet und zukünftig durchaus in der Baupraxis Anwendung finden werden.

Bei einer Brückenfläche in Schleswig-Holstein von ca. 1,5 Mio. m² lassen sich mit den in Voruntersuchungen ermittelten Kenngrößen jährliche CO2-Aufwenungen von ca.  30.000 to CO2 ableiten. Wenn im Rahmen des Projektes Einsparpotentiale von 20-25 % erarbeitet werden und diese bei lediglich 30% der Brücken Anwendung finden würden, wären dieses alleine in Schleswig-Holstein Einsparungen von ca. 2.000 to CO2/Jahr, wobei das Potential natürlich deutlich höher liegt.